Riesen-Bembel

Der ‚Riesen-Bembel‘ von Neu-Isenburg


50 Jahre stand in Neu-Isenburg dieser gewaltige ‚Riesen-Bembel‘.

Martin Kuhn erbaute das Prachtstück 1931 innerhalb von zwei Monaten in Wirtsgarten seines Gasthauses „Zur Erholung“ in der Brunnenstraße 11 in Neu-Isenburg. Damals eine kleine Sensation, über die fast alle Gazetten berichteten. Sogar der Bilderdienst der New York Times bat um ein Foto.

Das Monstrum war aus Beton gebaut, stolze fünf Meter hoch und drei Meter breit. Über eine kleine Treppe gelangte man ins Innere, das bis zu 12 Personen Platz bot. Wäre es ein ‚echter‘ Bembel gewesen, hätte er wohl 33.500 Schoppen kühl und frisch gehalten.

Unklar ist bis heute die Bedeutung der Bemalung mit dem Schriftzug „§ 11“. Hierzu konnte ich bis heute keine eindeutige Erklärung finden.

Eine mögliche Erklärung deutet auf die studentischen Burschenschaften hin. Deren Zusammenleben war und ist durch eine Vielzahl geschriebener und ungeschriebener Regeln, den sogenannten ‚Comments‘, geregelt. Wohl auch um diese strengen Regeln etwas auf die Schippe zu nehmen, entstanden die ‚Bier-Comments‘, die die häufig ausufernden studentischen Trinkgelage regelten.   

Der Paragraph 11 ist der bekannteste und am weitesten verbreitete Paragraph in den ‚Bier-Comments‘ der Verbindungen. Gebräuchlich war der Begriff auch unter den mancherorts als „Knoten“ bezeichneten Gesellen. Er lautet traditionell „Es wird fortgesoffen!“, „Es wird weiter gesoffen!“ oder lateinisch „porro bibitur!“. In Österreich und in der Schweiz gibt es Varianten. Alten Überlieferung nach ist der § 11 nicht nur im deutschen Sprachraum, sondern auch in den deutsch-baltischen Studentenverbindungen, zum Beispiel bei der Selonia bekannt gewesen. Bei der schweizerischen Pennäler Verbindung ‚Struthonia‘ lautet §11 „Eisern bis zur Neige!“.

Hier zeigt sich eine Parallele zu den Frankfurter ‚Apfelweingeschworenen‘. Auch bei deren Stammtischrunden ist es ungeschriebenes Gesetz, dass kein nicht vollständig geleerter Bembel zurückgeht.

Gut möglich, dass die Studentenverbindungen in den Hochburgen des Apfelweinkonsums diesem Getränk den Vorzug vor dem sonst konsumierten Bier gaben. Es ist allerdings auch vorstellbar, dass es sich bei der Bemalung des Bembels um eine kleine Stichelei in Richtung der Studentenverbindungen handelt, die ja früher oft aus „besseren Kreisen“ stammten, währen die Apfelweinkonsumenten eher das „einfache Volk“ repräsentierten.

Wie so oft, „Nix Genaues waas mer net!“

1971 wurde der Bembel zwar noch einmal restauriert, doch der Zerfall war nicht aufzuhalten. Immer tiefer wurden die Risse im Beton. Einer handschriftlichen Notiz zufolge hatte der Magistrat der Stadt Neu-Isenburg sogar 5.000, – DM für eine erneute Reparatur des Wahrzeichens bereitgestellt, doch es war zu spät. Am 29. Juni 1981 fiel das Bauwerk während eines Unwetters schließlich in sich zusammen und wurde danach endgültig abgerissen.

Schade drum…


Das Gasthaus „Zur Gemütlichkeit“ wurde 1913 von den Eheleuten Martin und Karoline Kuhn gegründet.

In den 30er Jahren übernahm ihr Sohn, Ernst Kuhn, den Betrieb und erweiterte ihn um eine Metzgerei mit eigener Schlachtung. Während des Krieges war das Gasthaus geschlossen, versorgte aber als Großküche bis zu 1.000 Kriegsgefangene, die in Neu-Isenburg zum Arbeitsdienst eingesetzt waren. Nach dem Krieg wurde es 1948 wieder für Gäste geöffnet und um zwei Bundeskegelbahnen erweitert.

An Stelle der Gartenwirtschaft, in der ursprünglich auch der Riesen-Bembel stand, wurde ein Appartementhaus gebaut. In den Nachkriegsjahren kelterte Ernst Kuhn noch selbst und der Schoppen reifte in großen Eichenfässern im Gewölbekeller des Hauses. Eine umfangreiche Speisekarte machte das Lokal über die Stadtgrenze hinaus bekannt und beliebt.

Ernst Kuhn verstarb 1989 und seine Tochter Edith übernahm das Anwesen. Ca. 1999 erfolgte die Übernahme durch das Ehepaar Bozzana und Johannes Rubic.

Inzwischen ist die „Erholung“ leider geschlossen.

Vielen Dank an Frau Lack von Stadtarchiv Neu-Isenburg, die mich bei meinen Recherchen schnell und unkompliziert unterstützt hat!

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