Pomona April 1862

„POMONA“ April 1868


In der „POMONA – Allgemeine deutsche Zeitschrift für den gesamten Obst- und Weinbau“ erschien 1862 ein mehrteiliger Artikel über die „Verwendung des Obstes“.

Für Apfelweinliebhaber und Selbstkelterer ist hier aber nur Kapitel 4 vom 12. April 1862 (Nr. 15/16) von Interesse.

4. Der Apfelwein

Ein Feinschmecker wird, wenn er diese Zeilen liest, gleich sagen, ich bitte : verschonen Sie mich mit Apfelwein, wir haben hier leidliches Bier und sehr guten Wein , wozu soll der Apfelwein dienen ! ? Dieser kann dahin belehrt werden , daß der Weinbau nur auf besonders günstige Lagen beschränkt ist, meist dort ein guter Apfel noch wächst, wo entweder gar kein Wein oder höchstens ein herzlich schlechter, vielleicht so ein Grüneberger wachsen würde, und für sauren Wein dankt Jedermann .

Man weiß aber, daß man da, wo kein Wein wächst, ihn theuer bezahlen muß und doch nur eine sehr mittelmäßige Sorte unter allen möglichen werthvollen Etiquetten erhält. Gibt es aber viele Jahre hindurch keinen guten Wein, dann ist’s vollends nicht auszuhalten, man hat dann nicht nur keinen Vortheil beim Weintrinken, sondern vielleicht noch Nachtheil für sein Wohlbefinden. Und wie Vielen wäre es besser, sie tränken zuweilen einen Schoppen guten Apfelwein, um den Organismus wieder einmal ordentlich herzustellen und sich Appetit zu verschaffen, der bei Bier- und Weintrinken gar oft abbanden kommt. Wie hübsch ist es, wenn bei heißem Wetter während des Tages, bei der Mahlzeit oder in der Feierabendstunde an seinem Faß im eigenen Keller von selbst erzeugtem Hohen-Astheimer sich einen frischen perlenden Labetrunt holen kann, und braucht nicht erst ins Wirthshaus zu gehen, um für’s Geld einen sauren Traubenwein zu holen. Denn die guten Weine gehen andere Wege, wenn es aber einen rechten Grüneberger gibt, dann tröstet man sich und sagt: nun der bleibt im lande, den sauern trinken die Bauern . Dafür danken diese aber jetzt auch recht schön .

Wenn also der Landmann recht unabhängig von dergleichen Operationen werden wil, da keltert er sich einen Theil seiner Aepfel selbst und legt sich ein Faß von Wein für kommenden Durst selbst in den Keller.

Wie man einen guten Apfelwein macht, soll hier folgend nachzuweisen versucht werden.

Als Hauptbedingniß steht obenan, daß die Aepfel gehörig reif sind, was meist um Michaelis der Fall ist. Eigentlich soll man , wenn man einen guten Wein machen will, vor 1. Oktober keinen Apfel vom Baum nehmen. Ist aber eine Allee oder Baumfeld dem Frevel ausgesetzt und schwer zu schützten, so daß man die Aepfel früher abmachen muß, dann schütte man die Aepfel unter freiem Himmel auf einen Rasen und lasse sie einige Zeit nachreifen. Man lasse es darauf regnen und den Reif fallen, das schadet nicht; nur müssen von Zeit zu Zeit die Faulen ausgelesen und vor dem Mahlen dieses Geschäft nochmals mit Sorgfalt vorgenommen werden. Das vor der Ernte gewonnene Lessobst muß besonders geschüttet und gekeltert werden; der daraus gewonnene Wein wird entweder als Rauscher getrunken oder später zu Essig gemacht, der allen andern derartigen Fabrikaten vorzuziehen ist.

Also zu Anfang Oktober schreitet man zum Keltern. Die Aepfel werden, wenn sie bei guter Witterung abgemacht wurden, ohne Weiteres gemahlen, sind sie schmutzig geworden, vorher in einem Bottich gewaschen.

Zum Zerkleinern bedient man sich entweder der Apfelmühlen, die in ausgezeichneter Qualität bei G. A. Wollenschläger in Frankfurt a / M. und in neuerer Zeit auch von Louis Golz in Schweinfurt gefertigt werden, oder der Mahltröge mit einem rollenden Stein an einer Stange, oder auch, was eine ältere Manipulation ist, der Stampfen .

Hierauf kommt die Masse auf die Kelter, die bestens gereiniget sein muß, und vor dem Einschütten des Apfelbreies mit etwas Kornstrob ausgelegt wird, dessen hervorragende Ende man über die gefüllte Kelter vor dem Auflegen der Bretter zusammenlegt.

Ist der Most ausgepreßt, bringt man ihn ohne Verzug auf das Faß, das ein reines Branntwein- , Rum- oder Weinfaß sein kann und überläßt ihn der Gährung. Die Untergährung ist der Obergährung vorzuziehen, zu welchem Ende man das Faß nicht spundvoll machen, vielmehr je nach der Größe dessen 2- 3 Kübel weniger einlassen darf.

Früher hat man bei guten Kellern den Apfelwein auf der Hefe gelassen, in neuerer Zeit aber hat man angefangen, ihn wie den Traubenwein zu behandeln und abzulassen. Guter Apfelwein hält sich in guten Kellern 5—6 Jahre. Verfasser dieses hat 1853 in einem Felsenkeller am Taunus Apfelwein aus der 1847er Ernte getrunken, und seine Kraft anfänglich unterschätzt; er war aber wirklich ein Schelm und dankte den fleißigen Zuspruch und die Anerkennung sehr übermüthig.

Hierzu ist weiter zu bemerken, daß Frühäpfel keinen Lagerwein geben; sie sind, wenn man sie nicht frisch verspeisen oder mit Dürren vertilgen kann, als Rauscher oder Federweiß zu verbrauchen.

Schwammige, große uud edlere Sorten geben einen guten Wein, dieser ist aber nur bis Juni recht flacker, man thut deßhalb gut, einen Theil, den man über Sommer oder länger halten will, mit Obst aus rauheren Lagen oder aus Kernobst gezogenen Apfelwein zu vermischen.

Zur Veredlung des Apfelweins nimmt man auch Speierling, etwa auf 14—15 Eimer beim Mahlen 1 Metze.

Beabsichtigt man, dem Weine längere Zeit einige Süße zu erhalten, wirft man während der stärksten Gährung Eis oder sehr kaltes Wasser in’s Faß.

Das beliebte Moussiren des Apfelweins verstärkt man erheblich dadurch, daß man ihn als Most auf ein mit Hobelspänen von frischem Buchenholz gefülltes Faß gießt, und nach circa 3-4 Wochen auf Krüge oder Flaschen abzieht.

Von dem mit Spähnen zu füllenden Faß wird ein Boden herausgenommen, die Spähne locker eingeschüttelt und dann wieder zugeschlagen.

Es wurde schon viel darüber hin und hergesprochen, ob man Wasser zum Apfelwein gießen und wann dies geschehen könne. Einige wollten es beim Mahlen den Aepfeln zugießen, andere nach dem Einfüllen des Obstes. Man thut am besten, man läßt alles Wasser vor dem Zapfen des Apfelweins weg und gießt erst etwas kaltes brunnenfrisches Wasser kurz vor dem Einschenken zu, wodurch der Apfelwein in der That zarter und angenehmer zu trinken, sowie weniger berauschend wirkt.

Dem reinen Apfelwein hat man häufig nachgerühmt, er wirke purgirend. Das ist nicht ganz richtig. Wenn man seine Wirkung passend bezeichnen will, so muß man sie eine regulirende nennen. Man hat ihn ebenso wohlthätig bei Diarrhöen hemmend, als bei Verstopfungen ableitend gefunden; er wirkt ferner belebend, nicht aufregend.

Durch die von dem Apfelweinhändler Petsch1) in Berlin in allen Theilen Europa’s zu tausenden gemachten Kuren hat der Apfelwein einen berühmten Namen und neue ausgedehnte Absatzwege nach dem Norden gefunden, wo die Flasche zu 5 Silbergroschen = 18 fr. verschenkt wird.

Nach Petsch wird der Apfelwein als Arzneimittel solcher Weise gebraucht, daß man ein Glas zu 1/3 damit füllt, hierzu süße frischgemolkene Kuhmild und Wasser gießt, wodurch die heilsame Molke entsteht. Obschon der Apfelwein nicht überall helfen kann, so hat man doch in Hautkrankheiten, bei Wunden, Hämorrhoidal-Leiden, mangelnden Appetit , Kopfweh und Halsentzündungen durch seinen Gebrauch meist Linderung oder gänzliche Heilung erlangt.

Während der Kur hat man sich jedes Medizinirens, sowie des fetteren, namentlich des Schweinen=Fleisches zu enthalten.

Noch ist zu erwähnen, daß das Zugießen von Weingeist oder Branntwein zum Most, um ihn mitgähren zu lassen, den Apfelwein zwar stärker, berauschender, doch nicht besser macht, und so zubereiteter Wein nicht von Jedermann geliebt wird, und dann als Heilgetränke durchaus nicht gebraucht werden kann. – Hier muß noch der Kirschwein in Erwähnung gebracht werden, der in reichen Erntejahren mehreren Orts im Auslande gewonnen wird und große Aehnlichkeit mit dem Roussillon hat.

In der POMONA-Ausgabe vom 30.8.1862 (Nr. 35/36) heist es weiter:

Nach genauen Erhebungen geben die von alten Bäumen gewonnenen Aepfel einen Wein, der mehr Körper und mehr Farbe hat als der, welcher von Früchten junger Bäume bereitet wird. Um dem Apfelweine aber Geist und Kraft zu geben, hat sich der Beisatz von süßem Apfelsaft, der auf den sechsten Theil eingekocht wurde, am zuträglichsten bewährt. Der Apfelwein, welcher im Sommer bereitet wird, ist im vierten oder sechsten, der Herbst-Cider vom sechsten oder zehnten und der Winter-Cider vom zehnten bis zum zwanzigsten Monate an trinkbar .

1) Die ganze Geschichte des Apelweinhändlers und -doktors Petsch kannst Du hier lesen

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