Albert Scherer Beim Aeppelwein 1887

Beim Aeppelwein in Sachsenhausen


„Beim Aeppelwein in Sachsenhausen“

Dieser Holzstich von Albert Scherer erschien 1887 in Heft 45 der Zeitschrift ‚Die Gartenlaube‘.

Dazu schreib Emil Peschkau:

Ist München ohne Bier denkbar? Wien ohne seinen „Heurigen“? Nun – Eines ist undenkbar: Sachsenhausen ohne „Aeppelwein“. Wenn in jenen beiden großen Städten mit der Zeit auch Alles ins Große gewachsen ist und modernisirt wurde, so daß nur ein sehr erfahrener Ureinwohner den Weg nach den richtigen „Quellen“ weisen kann, so ist dagegen Sachsenhausen, die am linken Mainufer gelegene Vorstadt Frankfurts, in dieser Beziehung wenigstens von der Kultur unbeeinflußt geblieben. Der Aepfelwein übt auf die „fremden Elemente“ durchaus nicht jene Anziehungskraft aus wie Wein und Bier, und das erklärt jene Erscheinung. Die Stübchen und Gärtchen sind noch immer klein, oft haarsträubend enge, wie sie es von jeher waren, und was sich da, oft an einander gepreßt wie Häringe, zusammenfindet, ist nichts weniger als „gemischte Gesellschaft“. Da ist der Sachsenhäuser, bieder, humorvoll und grob – göttlich grob! – Und neben ihm der alte Frankfurter „Borjer“, der, wenn der Abend hereindämmert, gerne über die alte Brücke hinüberwandert in die schmalen, von alterthümlichen, hochgiebeligen Häusern gebildeten Gäßchen und dort den gewohnten Schoppen zu sich nimmt. Damit ist aber auch der Kreis vollendet – Neu-Frankfurt trinkt lieber Champagner als Aepfelwein und diejenigen, welche das Unglück haben, „von außerhalb“ zu sein, wagen sich auch nur selten in die dämmerigen Stübchen und Gärtchen. Daran wird, wie gesagt, wohl mehr der Aepfelwein als die Sachsenhäuser schuld sein; denn diesen fehlt es nicht an einer gewissen Art Gemüthlichkeit, wenn sie auch grob sind. Aber besser als Alles mag ein Stückchen den Sachsenhäuser schildern, das der Schreiber dieser Zeilen erlebte, als er einmal ein paar fremden Damen den „Aeppelwein“ zeigen wollte. An den drei langen Tischen, die in dem engen Hofe standen, war auch nicht ein Plätzchen mehr frei, aber es sollte Rath geschafft werden. „Warten Sie nur!“ brummte der nächstsitzende Stammgast, als er die Hilfe suchenden Blicke der Damen gewahrte, und dann stemmte er seine Füße an den Boden und schwupps – am andern Ende der Bank flogen Zwei zur Erde, aber neben uns waren zwei Plätze frei. So ist der Sachsenhäuser – und wer diese oft prächtigen Charaktergestalten kennen lernen will, der thut am besten, wenn er sie zu Hause aufsucht – nämlich beim Aeppelwein.


Emil Peschkau (* 19. Februar 1856 in Wien; † 1929?) war ein österreichischer Journalist und Schriftsteller. In Frankfurt arbeitete er zeitweise als Redakteur des Feuilletons des Frankfurter Journals, sowie dessen Unterhaltungsbeilage ‚Didaskalia‘.

Foto: Von Unbekannt, weder aus dem Buch noch anderweitig zu ermitteln – Gustav Dahms: Das litterarische Berlin. Berlin: Taendler, 1895, Seite 68, PD-alt-100, https://de.wikipedia.org/w/index.php?curid=6195061


„Die Gartenlaube“

war ein illustrirtes Familienblatt (später Illustriertes Familienblatt, ab 1938 mit dem veränderten Titel ‚Die neue Gartenlaube‘, war ein Vorläufer moderner Illustrierter und das erste große erfolgreiche deutsche Massenblatt. Es erschien ab 1853 und erreichte 1876 unter dem Verleger Ernst Keil eine Auflagenhöhe von 382.000 Exemplaren. In der Summe sind 121.000 Seiten erschienen. Einer der Mitbegründer war Ferdinand Stolle. Da die Gartenlaube sowohl in der gemeinsamen Familienlektüre konsumiert wurde als auch in zahlreichen Leihbibliotheken und Cafés als Auslage zur Verfügung stand, beläuft sich die Schätzung der eigentlichen Leserschaft auf zwei bis fünf Millionen zu ihren Hochzeiten.

Die Gartenlaube stellt eine ebenso umfassende wie für viele historische Untersuchungsfelder unverzichtbare Quelle zur deutschen Kulturgeschichte dar, zum Beispiel bezüglich der in der Illustrierten veröffentlichten Fortsetzungsromane.


Über den Künstler Albert Scherer ist mit momentan leider noch nichts bekannt. Die Recherche dauert an.


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